Der amtierende Champion und seine Regentschaft
2017 gewann Alex Burkhard in Hannover die deutschsprachigen Meisterschaften im Poetry Slam. Im November kommt er nach Zürich und verteidigt seinen Titel. Ein Interview.
Fotos: Marvin Ruppert
Jetzt ist schon fast ein Jahr vergangen. Wie war die Regentschaft bisher?
(lacht) Sehr schön, ich wurde überall höflich empfangen. Ich musste mich erst daran gewöhnen, dass ich überall als deutschsprachiger Meister angekündigt werde. Da brauchte ich ein paar Slams, bis mir das egal war und ich einfach mein Ding machen konnte, ohne das Gefühl zu haben, ich müsse jetzt liefern. Aber es war schön. Es macht viel Spass und es kam nie vor, dass jemand einem den Erfolg nicht gönnt.
Hat sich bei dir durch den Titel viel verändert, auch bezüglich Slams und Auftrittsanfragen?
Hm, ein bisschen. Einige alte Kolleginnen und Kollegen melden sich mal wieder nach längerer Zeit für ein paar Auftritte. Es sind ein paar mehr Special-Slams dabei, wie beispielsweise der Polit-Slam in Zürich, der Iron Slam in Büdelsdorf oder auch der Open Air Slam in Berlin, den Julian Heun macht. Aber ich hab’ ja vorher auch schon 10 Jahre Slam gemacht und war in der Szene sowieso halbwegs präsent. Daher ist es nicht so, dass jetzt die Anfragen explodiert sind. Die waren vorhin ja auch schon da, eigentlich.
Wie bleibt dir der Final-Abend in Hannover in Erinnerung? Kommt dir das vor wie gestern oder ist alles ein bisschen verschwommen?
Es ist nicht wie gestern, aber ich hab’ schon noch konkrete Erinnerungen, weil ich ja sehr fokussiert war. Ich hatte ja zudem die Ehre das Teamfinale mit «Stützen der Gesellschaft» zu eröffnen. Daher war ich seit dem frühen Nachmittag in der Oper und schon sehr aufgeregt. Während des ganzen Finals lag ich einfach nur noch im Dunkeln hinter der Bühne, hörte meine Playlist und war weg von allem. 10-15 Minuten vor dem Auftritt hab ich mich dann bereit gemacht.
Ich muss jetzt schon feststellen, dass das ganze bühnentechnisch wohl das Krasseste war und muss mich dran gewöhnen, dass das jetzt nicht immer so sein wird – mit so vielen Emotionen, so vielen Leute und so viel spürbarer Liebe. Das war schon sehr schön.
Was ging dir durch den Kopf, als klar war, dass du gewinnen wirst?
(lacht) Das weiss ich nicht mehr ganz genau. Ich war den ganzen Tag schon so drauf, dass ich das gewinne. Ich wusste ja meine Startnummer und sass mit meinem guten Freund Pierre Jarawan, der in Heidelberg gewonnen hatte, zusammen und überlegte mir die Einleitung für den Finaltext.
Ich hatte einfach den ganzen Tag das Gefühl, ich würde das gewinnen – es gab einfach keine andere Möglichkeit. Das war ein ganz weirdes Gefühl. Und als es dann soweit war, war ich erst ganz leer. Ich kam von der Bühne und musste erst eine Flasche Wasser trinken, weil ich durch war. Und dann kam irgendwie schon Leonie und meinte: «Ich habe die Jurynoten gesehen. Es reicht!». Das habe ich dann kurz nicht glauben können. Dann waren schnell hinter der Bühne viel Leute um mich rum. Deswegen konnte ich an nicht mehr viel denken in dem Moment.
Der Slam 2018 in Zürich ist schon gar nicht mehr weit entfernt. Laufen denn da schon die Vorbereitungen für die Titelverteidigung?
Im Hinterkopf vielleicht, aber sonst nicht explizit. Ich habe noch viele andere Projekte im Kopf, die mich fordern und für die ich Texte schreiben muss. Aber ab und an denke ich: «Ah, den Text könnt’ ich dann nehmen» oder «da müsste ich vielleicht noch etwas kürzen». Also bei den Texten, die ich noch offen, oder in diesem Jahr geschrieben hab’, überlege ich schon einmal, was in Frage kommen könnte und was nicht.
Ich glaube auch nicht, dass es diesmal mehr als eine Runde sein wird, so wie es sonst auch immer war. Ich denke, das war beim letzten Mal schon auch eine Ansammlung glücklicher Startplätze usw. Da hat mir viel in die Karten gespielt. Ich denke, beim nächsten Mal reichen mir dann wieder ein bis zwei Texte. Und am Ende ist es auch nur ein Poetry Slam.
Jetzt im Hinblick auf Zürich 2018, warum kannst du potenziellen Zuschauern raten hinzugehen? Was ist an einem National besonders? Vielleicht auch für diejenigen, die schon an einem normalen Poetry Slam waren.
Naja, beim National treffen eben die Besten des gesamten deutschsprachigen Raums aufeinander. Du hast eine viel höhere Qualität als bei so manchem regulären Slam. Das ist nicht abwertend gemeint. Aber bei einem normalen, lokalen Slam hat man drei bis vier geladene Slammer und ein paar Locals aus der Region. Das mag ich total gerne, ich liebe Slams mit einer offenen Liste. Das bereichert auch den Wettbewerb. Aber man weiss nie, was da kommt. Und beim National hast du eigentlich ausschliesslich Texte, die sich übers Jahr bewiesen haben. Da weiss man schon, dass die gut sind und Slams gewinnen können. Und wenn du dann eine Vorrunde mit diversen Landesmeistern und dem Schweizermeister hast, dann ist das einfach eine andere Sache.
Das Zweite, neben der Qualität der Texte, ist die Atmosphäre. Wenn man in so eine Halle kommt, spürt man, dass das ein Teil von etwas Grösserem ist. Die Auftretenden sind nervöser als sonst, man sieht Slammer im Publikum, die sich die anderen Runden anschauen. Normalerweise beim Slam siehst du die meisten Slammer Backstage. Aber dass mal zum Beispiel ein Lars Ruppel im Publikum sitzt, weil seine Runde grad’ nicht ist, das gibt es dann auch fast nur beim National. Und allgemein ist es einfach schön, dass da eine Festivalstimmung aufkommt. Für die Auftretenden ist das oft ein Highlight im Jahr. Es ist das grosse Klassentreffen. Ich hab schon das Gefühl, dass diese Stimmung gegen aussen getragen wird und das Publikum merkt, dass es eine andere Energie ist, als bei einem normalen Slam.
Das hast du sehr schön auf den Punkt gebracht. Noch zum Abschluss: Jetzt ist der National seit langem wieder in der Schweiz. Du bist ja auch schon oft hier aufgetreten. Ist das für dich was anderes, als in Deutschland?
Teilweise, ja. Ich bin natürlich immer ein bisschen der Exot mit dem Hochdeutschen. Also rein textlich ist das schon was Besonderes. Und dann werde ich immer so herzlich empfangen. Die Gastfreundschaft der Slamveranstalter in der Schweiz ist schon krass. Es ist jetzt nicht so, dass man in Deutschland links liegen gelassen wird. Aber dass man erst mal zusammen Abendessen geht und den ganzen Abend miteinander verbringt, ist schon sehr schön. Es wird einfach in jedem Moment klar, dass es die Leute freut, dass ich gerade hier bin und das ist etwas sehr Schönes. In Deutschland ist das ganze etwas institutionalisierter. Es gibt halt ein paar mehr, deswegen hat das alles schon eine gewisse Routine. Da ist es zwar auch immer noch sehr schön die Kollegen zu sehen. Aber da wird irgendwie eine kalte Pizza in den Backstage gestellt. Die Slammer und Slammerinnen müssen jetzt nicht irgendwie Rockstars sein. Aber ich find’ es schön, wenn man mit den Leuten essen geht und sagt: «Ich find’s schön, dass ihr da seid. Wir verbringen heut’ den Abend zusammen.» Und nicht einfach: «Schön, dass ihr um fünf vor acht auftaucht und dann auf die Bühne geht und fertig».
Daher freue ich mich immer. Weil die Leute, die in der Schweiz Slams veranstalten oder zuschauen immer so herzlich sind. Ich habe glaub’ noch keine Schweizer Slammer und Slammerinnen getroffen, die ich nicht auf Anhieb mochte. Daher freue ich mich immer sehr, wenn da die Einladungen aus der Schweiz kommen. Das ist schon sehr schön.
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